Sonntag, 04. September 2011
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Der Araber im Berberpferd
Bezeichnung des Berberpferdes und des Araber-Berbers
Historische Auflistung: Einrichtung von Staatsgestüten und Zuchtbuch
Araberblut im Berberpferd
Perspektive für ein Zuchtbuch des Araber-Berbers
Abschluss


Der Araber im Berberpferd

Vortrag (überarbeitet) von Christopher Ludwig vom 30. Juli 2011 auf dem Sommerfest de BzRP e.V.

 

 

 

Der Araber-Berber: Das Pferd der afrikanischen Kavallerie

"Wendig, gefügig, genügsam, robust und ausdauernd: Bis 140 kg trägt er mit Reiter, Gepäck, Sattel, Waffe, Munition und Futterration. Er marschiert Tag und Nacht mit winzigen Pausen einen Monat lang durch das Land, nur mit drei Kilo Gerste im Fressbeutel und 20 Liter Wasser pro Tag.

Unter der Hitze der Sahara oder der Kälte Sibiriens, widerstandsfähig und gefügig, durchzieht er Steppen und Bergland jederzeit bereit, im Galopp vorwärts selbst in das unwegsamste Gelände zu stürmen."

So lobten die Soldaten der französischen Kavallerie den Araber- Berber. Colonel Denis Bogros, ein großartiger Kenner des Berberpferdes, verfasste zahlreiche Abhandlungen über diese Pferde („ Le cheval du Maghreb“, Denis Bogros 1994).

Doch dieser fabelhafte Araber-Berber, was ist dies für ein Pferd?

Warum ist der Araber-Berber ein Berberpferd und warum ist letztendlich auch das Berberpferd ein Araber-Berber?

 

1.       Entstehung und Entwicklung

1.1. Kurzer Abriss von der Urgeschichte bis zum Beginn unserer Zeitrechnung
  • Pleistozän : 2,588 Millionen Jahre – 9660 vor Christus, endet mit der Würm-Eiszeit
  • Ca. 7500 Jahre v. Chr.: Domestizierung des Hundes
  • Ca. 7000-6000 Jahre v. Chr.: Domestizierung des Schafes
  • Ca. 6500-5000 Jahre v. Chr.: Domestizierung der Ziege, des Rindes und des Schweines
  • Ca. 4000-2000 Jahre v. Chr.: erste Formen von Landwirtschaft und Hirtenleben
  • Ca. 2000 Jahre v. Chr.: Kupferzeit
  • 2000-750 v. Chr.: Bronzezeit - Verallgemeinerung des Ackerbaus und Domestizierung des Pferdes
  • 750 v. Chr.: Eisenzeit - das Pferd wird geritten und gefahren.

Bis hierhin entwickelten sich die Pferde nahezu ohne jeglichen menschlichen Einfluss. Das Pferd ist selbständig gewandert und hat sich infolge der natürlichen Auslese über die Jahrtausende angepasst.

 

1.2. Theorie über den Ursprung

 

Knochenfunde an verschiedenen Orten in Nordafrika belegen, dass das Pferd schon mehrere Jahrtausende vor Christus dort existierte und offensichtlich den Grundstock des Maghreb-Pferdes bildete.

Es existiert eine Theorie, dass auch das Maghrebinische Pferd aus Zentralasien stammt. Doch sollte dies wirklich stimmen, so läge dies mehrere hunderttausend Jahre und damit so weit zurück, dass man daraus keine weiteren Rückschlüsse mehr ziehen kann, außer dass es sich um dieselbe Spezies, den Equus ferus caballus, das heutige sogenannte Hauspferd handelt.

In Nordafrika entwickelte sich ein ähnliches Pferd wie in Zentralasien. Während zu Beginn des Pleistozäns noch Einflüsse aus dem Süden möglich waren, so stellte mit der Zeit die Sahara eine Barriere dar, die dazu führte, dass das Pferd des Maghreb sich relativ selbständig entwickelte.

 

Exkurs 1: Einfluss des Menschen auf das Pferd

Exkurs 2: Methoden der Zuordnung zu einer Rasse

 

1.3. Die Situation im Maghreb um 1100 vor Christus

 

In Nordafrika bewegten sich gegen 1100 v. Chr. Volksstämme auf Pferden und Kamelen gen Osten bis in den Maghreb. Hier fand eine erste Begegnung und Vermengung der dort heimischen Pferde mit Pferden aus dem Vorderen Orient statt. Doch war dies kein gezielter Austausch, eher ein sporadischer Einfluss aus dem Osten.

Die an der Küste gelegenen Städte und die fruchtbaren Gebiete im Norden Afrikas befanden sich nahezu durchgehend im Kriegszustand. Pferde fanden insbesondere Verwendung  für den Transport, den Handel und den Nachschub. Die meisten Eindringlinge waren ursprünglich Seeleute, sie waren in dem zugewonnenen Land zu Fuß unterwegs. Bei den heimischen Menschen handelte es sich überwiegend um Landwirte und Handelsleute.

Das Pferd war zwar lebenswichtig, jedoch nur ein Arbeitswerkzeug und ein Zeichen von Wohlstand. Viele Stuten dienten fast ausschließlich der Maultierzucht, denn Esel und Maultiere nahmen einen wichtigen Platz im Bestand ein. Im tieferen Land gelegen lebten die Berberstämme, teils Nomaden teils sesshaft, je nach Stamm, Glauben und Wohnstätte. Sie nahmen nur selten an den im Norden stattfindenden Kriegen teil.
Bis zum Eroberungszug des Islam ist nur wenig über sie und ihre Pferde bekannt: Das Pferd war ein nicht wegzudenkender Bestandteil ihres Lebens, Teil der Familie und in jeder Beziehung mit ihrer Lebensart und ihrer Religion verbunden.

 

1.4. 7. Jahrhundert: Gründung des Islam und Entwicklung der Pferde auf der Arabischen Halbinsel

 

Auf der arabischen Halbinsel und im Vorderen Orient entwickelte sich ein Pferd, das man als Vorläufer des arabischen Vollblutes bezeichnen kann. Es hatte schon deutliche Ähnlichkeit mit dem Pferd, das als erste Pferderasse kontrolliert gezüchtet wurde: Dies war seit dem 7. Jahrhundert der Vollblutaraber - das Pferd des Islam.

Das erste Mal in der Geschichte des Pferdes wurde für eine Rasse ein Zuchtziel erstellt, wurden Zuchttiere einer Rasse zugeordnet. Abstammungsüberprüfung war zu dieser Zeit schwierig - die wenigsten Menschen waren damals der Schrift mächtig, noch weniger im landwirtschaftlichen Sektor. Somit beruhte die Zucht insbesondere auf der individuellen Beurteilung.

Da der Pferdebestand bedingt durch das recht gleichmäßige Klima und den Boden sehr homogen war, konnte man sich schnell einem Zuchtziel annähern.

 

1.5. Die Parallelentwicklung im Maghreb

 

Im Maghreb entwickelte sich bis dahin ein Pferd, das sehr wenigen fremden Einflüssen ausgesetzt war.

Mittelmeer und Sahara bildeten eine Barriere, die die Zufuhr von fremdem Blut erschwerte. Doch durch die verschiedenen Landschaftstypen geprägt, war das Pferd des Maghreb bei weitem nicht so homogen wie das Pferd des Vorderen Orient. Es wies eine Vielfalt an verschiedenen Typen auf.

Seit seiner geographischen Eingrenzung genießt das Pferd des Maghreb einen Ruf als einzigartiges Kriegspferd. Ein Ruf, den es weit über seine Grenzen hinaus verbreiten konnte.

 

1.6. Seit dem 7. Jahrhundert:  Der Einzug des Islam in den Maghreb

 

Als nun die Araber im 7. Jahrhundert über Libyen die Eroberung der Gebiete des Maghreb vornahmen, stießen sie auf die Berbervölker in den Küstengegenden, in den der Sahara angrenzenden Gebieten und auf dem Hochplateau.

Zweifelsfrei trafen sie damit auch auf die Pferde der Berbervölker, die Pferde des Maghreb (Tebessa um 670, Aurès um 698, Zenetes und Hochplateau um 704 n. Chr.). Zu Beginn übernahmen die arabischen Invasoren insbesondere die Herrschaft der Städte. Sie brachten die Kultur und den Islam mit. Die damit einhergehende Vermengung mit den arabischen Pferden geschah dementsprechend nicht im ganzen Land, sondern vor allem in städtischen Räumen.

Auf diese Weise fasste der Vollblutaraber kulturell Fuß im Maghreb.

 

1.7. Um 1100: Die Almoravidenstämme: Beni Hillal und Beni Sulaïm

 

Erst gegen ca. 1100 n.Chr. fielen arabische Beduinenstämme – die Beni Hillal und die Beni Sulaïm ­- in den Maghreb ein.

Unter dem Schutz der arabischen Kalifen, die seit 400 Jahren die Herrschaft in den Städten übernommen hatten, besetzten diese Stämme die ländlichen Gebiete, die sie zur Pferdezucht benötigten. Die einheimische berberstämmige Bevölkerung drängten sie in das kargere Bergland zurück. Die Beduinen, die nun das fruchtbare Land bewohnten, übernahmen teilweise die Pferde der maghrebinischen Bevölkerung, teils verwendeten sie ihre „importierten“ Vollblutaraber.

Der Vollblutaraber verbreitete sich immer mehr im Maghreb.

 

1.8. 700 bis 1200:  Die Vermengung von Arabischen Pferden mit den Pferden des Maghreb

 

Die Araber - mit dem Ziel den Maghreb dauerhaft zu erobern - wollten die weitflächigen Gegenden nach Westen hin für sich gewinnen. Als gewandte Reiter wie auch als organisiertes Kriegsvolk fanden sie sich mit dem Problem des Nachschubes an Pferden konfrontiert.

Sie hatten drei Möglichkeiten:

  • das Heranschaffen frischer, reitbarer Pferde:

aber je weiter die Araber fortschritten desto schwieriger wurde diese Lösung aus der Ferne - schwierig, riskant, ja beinahe unmöglich.

  • die Aneignung der Pferde aus den neu eroberten Gebieten:
    auch hier stellte sich das Problem des Nachschubes, denn in der Regel gewannen die Araber mit den eroberten Gebieten auch neue Getreue aus den Berberstämmen für den Islam. Diese benötigten als berittene Krieger selbst entsprechende Reittiere.
  • eine langfristige Lösung stellte die Zucht von Pferden dar!
    Diese war jedoch mit erheblichem Aufwand verbunden. Es mussten Gebiete abgesteckt werden, in denen sich die Herden sicher aufhalten konnten, dies nahe, aber nicht zu dicht am Kampfgeschehen. Hierzu mussten Leute als Zuchtpersonal abgestellt werden. Nicht zu vergessen, dass alle Zuchtstuten vor und auch nach dem Abfohlen nicht mehr zur Verfügung standen und die neuen Pferde erst nach Jahren für den Kampf zur Verfügung standen.

 

Durch die Zucht konnten die Anhänger des Propheten, deren Heer ständig durch neue Krieger und frische Pferde vergrößert wurde, im Laufe der Jahre den ganzen Maghreb erobern, von Osten nach Westen. Auf ihrer breiten Spur schufen sie die Wiege des Araber-Berbers. Der unterschiedlich hohe Blutanteil hing von den lokalen Möglichkeiten und von dem Geschmack der Züchter und der Volksstämme ab.

 

1.9. Das Resultat: Eine positive Entwicklung der Pferde im Maghreb

 

Dass die Araber es geschafft haben, die unbestechlichen, rebellischen Berber, die so stark an ihr Land und ihre Überzeugungen gebunden waren, zu konvertieren und an sich zu binden, so dass diese sogar ihr Land verließen um im Zeichen des Islam unaufhaltsam bis in den Süden Europas vorzustoßen, ist mit Gewissheit einem Umstand zu verdanken: Beide Völker waren durch eine Sache verbunden, durch die Liebe zum Pferd.

In diesem Punkt standen sie sich in tiefer gegenseitiger Bewunderung gegenüber. Es waren Menschen, die den gleichen Geschmack für die Reiterei teilten, die die gleichen Qualitäten für ein gutes Pferd suchten, die den gleichen Respekt und die über große Kenntnisse über ihre Tiere verfügten.

Das Volk der Berber sah mit Bewunderung zum Araberpferd auf und die Araber schätzten die Werte der Pferde der Berberstämme.

Wie kann man einerseits nicht beeindruckt von der Ausstrahlung der Pferde des Maschrek mit ihren stolzen und lebendigen Gängen, einer so edlen Statur und so einem tiefen Blick sein?

Wie kann man andererseits sie nicht bewundern, die Pferde mit der großen Ausdauer, dem soliden Gebäude, der großen Anpassungsfähigkeit und den mentalen Fähigkeiten, die im Maghreb ihre Wiege haben?

Araber und Berber waren vereint durch dieselbe Liebe zum Pferd und bald darauf gemeinsam verankert im islamischen Glauben, in dem das Pferd eine so große Rolle spielt. Gemeinsam schafften sie es, den für ihren Fortschritt so notwendigen Nachschub an Pferden zu sichern, begründet auf einer Zucht mit dem einen Zuchtziel: Ein Pferd zu selektieren, das genügsam, robust, wendig, schnell, ausdauernd, intelligent,  nervenstark und perfekt dem Land angepasst war.

 



 
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