Zur Theorie der verschiedenen Berbertypen

Eines der wichtigen Themen auf dem Vortrag in Reckerode behandelte die immer wieder angewendete Theorie der verschiedenen Berbertypen. Im Gegensatz zu diesen festgefahrenen Ideen ist es völlig überholt, ja nahezu karikaturenhaft, die verschiedenen Modelle nach Regionen zu katalogisieren. Seinerzeit hatte das französische Militär solch eine Typenaufstellung im Maghreb gemacht. Doch darf man sich nicht zu dem Glauben verleiten lassen, dass heute immer noch in völlig abgeschiedenen Zuchtgebieten Regionen die präzisen Pferdetypen durch die Volksstämme gezüchtet werden.

 

 

AlgerienDer Maghreb lebt nicht mehr im Mittelalter, das in sich gegenseitig bekämpfende Volksstämme gegliedert war: Das Ende der berittenen Kampfhandlungen, die Entstehung eines Nationalgefühls, der dem ehemaligen Stammesdenken ein Ende bereitet hat, kommerzielle und private Reisen und natürlich die aktive Zuchtstrukturierung, mit regelmäßigem Austausch von Zuchthengsten haben dazu geführt, dass die alten Modelle vermengt wurden. Verstärkt durch eine neue einheitlichere Verwendung der Pferde sind die Merkmale eines präzisen regionalen Typs in einem Pferd eher genetischer Zufall, nicht mehr Folge der Selektion lokaler Zuchttiere.

Was die verschiedenen Zuchtgebiete betrifft, so muss man den in Europa existierenden Glauben vom kabylischen Berbertyp korrigieren. Die Kabylei ist ein wunderschönes Land, jedoch von Bergen, Geröllfeldern und Wäldern durchzogen. Für die Pferdezucht ist diese Gegend völlig ungeeignet und dazu alles andere als im Vordergrund des Interesses der dort lebenden Menschen. Wenn man vom ehemaligen Land der Kabylen spricht, so ist der ganze Norden Algeriens gemeint, nicht nur eine Region…

Das Hochplateau ist nicht nur eine kleine Region um Tiaret. Das Hochplateau deckt eine Gegend von über 8 der größten Wilayas Algeriens (Provinzen) ab. So sind die Pferde von Tiaret, aber auch die von Saida, Mascara, aus dem Norden des ElBayadh, vom Laghouat bis zum Djebel Amour, von Djelfa, von M’Sila und vom Süd-Ouset bis Biskra alle Pferde des Hochplateau. Dies umfasst nahezu das gesamte algerische Zuchtgebiet!

Es gibt noch zwei Regionen, die etwas davon abweichen und wo sich ein dort ursprünglicher Pferdetyp weitgehend erhalten hat: Im Osten Algeriens hinter Biskra befinden sich die Ebene von Kenchella und Tebessa, im Süden des Hochplateaus beginnt der Djebel Amour.

Das Pferd aus dem Umkreis von Oran – in Europa als Orantyp bekannt – ist eigentlich ein kaum noch verwendetes Tier zur Landwirtschaft. Heute finden wir in diesem Gebiet Vertreter des Hochplateaus vorwiegend aus Tiaret, die meisten Berberpferde sind jedoch durch die Rennpferde des Hippodroms von Oran verdrängt. Die Gegend von Mostaganem und der Chlef sind die Touristenziele der Stadtbewohner. Auch dort ist die Zucht des Berberpferdes rar. Gerne werden dort moderne Fantasiapferde eingekreuzt mit einem sichtbaren Einfluss von kaltblütigen oder südeuropäischen Pferden.

Im Osten Algeriens insbesondere in der Gegend von Constantine sind Pferde sehr selten. Daher ist ein Constantine-Typ wohl eher Geschichte. Die Region von Aurès ist ein schönes Bergland aber auch dies ist, durch Berge und Wälder bedingt, kein fähiges Pferdezuchtgebiet.