Die Bedeutung des Berbers ohne Abstammung
Sonntag, 30. März 2008

Wie jeder weiß, ist der Berber eine Rasse Nordafrikas, aber nur wenige Menschen machen sich die Bedeutung der Herkunft für die Entwicklung dieser Pferde nicht bewusst. So wird diese Rasse oft mit den hier bekannten Rassen verglichen: den Rassen Europas. Dies bedeutet, dass man - evtl. auch ohne sich dessen bewusst zu sein - erwartet, dass für diese Rasse dieselben Regelungen gelten, wie man es aus der europäischen Zucht kennt (oder, in diesem Fall, aus der deutschen Zucht).
In den Ursprungsländern herrschten Krieg, dadurch wie auch durch die sich daraus ergebenden ökonomischen und demographischen Konsequenzen wurde ein großer Teil des Bestandes an Berberpferden mit Abstammungsnachweisen vernichtet.

 

Die Verdienste der Kolonisten um den Berber

Ursprünglich ist dieser Bestand an eingetragenen Pferden den Kolonisten zu verdanken. Europäisch denkend, befanden sie es für notwendig, die Ausstellung von Papieren einzuführen, um sich auf einen Stammbaum berufen zu können, um zu wissen was sie besitzen und was sie züchten. So wie es in Europa auch heute üblich ist. Die Einheimischen - diejenigen, denen diese Rasse zu verdanken ist – befanden dagegen Abstammungsnachweise auf dem Papier für unwichtig.

Die Kolonisten haben eine großes Werk vollbracht: Sie haben dem Berber dazu verholfen, eine legale Existenz zu haben und dadurch exportiert werden zu können, sie haben ihm zu einem Stammbaum verholfen. Sie haben die positiven Merkmale, die dem Berber eigen sind, erkannt; sie haben ihn vielleicht noch mehr geliebt als ihre eigenen europäischen Rassen; sie wollten sie sich in die Zucht mit einbringen und damit an seiner Geschichte teilhaben. Sie haben Erfolg gehabt, davon zeugt die Geschichte wie die Gegenwart.
Sie haben Zuchtstationen, Reitställe und Bestandsaufnahmen im ganzen Land eingeführt.
Mit der unentbehrlichen Hilfe der Landbevölkerung, die dieses Pferd wirklich kannte (etwa vergleichbar mit der OMCB heutzutage), wählten die Kolonisten die schönsten anzutreffenden Exemplare aus, und nahmen diese in den Gestüten und Deckstationen zur Weiterführung der Zucht auf.

Diese Pferde wurden als Berber OI („unbekannter Abstammung“) in das Vorbuch eingetragen, ihre Nachzucht als erste Generation, zweite Generation usw. Somit war der Stammbaum des Berbers geschaffen. Dieser elitäre Kern an Pferden wurde langsam, aber stetig durch neue Eintragungen in das Vorbuch erweitert, um den Rassebestand zu stärken.
Als die Kolonisten die Ursprungsländer verließen, war die Bestandsaufnahme der Rasse bei weitem noch nicht abgeschlossen. Doch von der bis dahin geleisteten Arbeit blieb leider und letztendlich nur mehr ein kleiner kostbarer Bestand von Berbern mit Abstammungsnachweisen wie auch die Einrichtungen, die es später ermöglichten, die Zucht wieder aufzunehmen und weiter zu führen.

Die Bedeutung des Berbers "O.I." für den Erhalt der Rasse

Die Eintragung der Berber ohne Abstammung in das Vorbuch stellt die Basis der Rasse, so wie es bei vielen anderen Rassen auch der Fall ist. Diese Eintragungen sind auch noch heute für die Zukunft der Rasse notwendig. Das ist einer der zahlreichen Gründe, wieso der Vergleich des Berberpferdes mit anderen Rassen hier aufhören sollte.
Der Berber ist ein einzigartiges Pferd, er gehört einer einzigartigen Geschichte an. Er lebt in Ländern, wo die Zeit nicht zählt und wo Werte anders empfunden werden als in Europa, Amerika--- oder im Nahen Osten...

Die Bestandsaufnahme des Berbers ist in seinen Heimatländern nicht abgeschlossen und wird es auch so bald nicht sein. Es wird weitere Eintragungen von „OI’s“ in das Vorbuch geben, die den gleichen Wert haben wie zuvor, auf die gleiche Art und Weise wie unter den Kolonisten, in den ursprünglichen Zuchtgebieten. Diese Kontinuität zeichnet den Berber aus.
Der Berber überdauert den Wandel der Zeiten...

Was wir an dieser Rasse lieben, sind die selben Qualitäten, die die Menschen früher an ihm schätzten. Eine Änderung hat sich für das Berberpferd im Maghreb ergeben: Es gibt nun Menschen, die dank der Mühen der Kolonisten die Wichtigkeit verstanden haben, ein Stammbuch für ihre Pferde zu führen. Diese bemühen sich, die reinen Blutlinien des „alten Stutbuchs“ zu bewahren, die angesichts des Wiedererstarkens der Rasse nicht ausreichen können.
Um es deutlich zu machen: Nicht die Rasse an sich ist bedroht, sondern der Bestand an eingetragenen Tieren, an Pferden mit Abstammungsnachweis. Aber leider benötigen wir eben diese Pferde, denn ohne Papiere hat die Rasse außerhalb ihrer Heimatländer keine konkrete und legale Existenz.
Die Europäer sollten sich daher der Arbeit der Ursprungsländer anschließen. Sie sollten nur die besten Pferde aus dem Vorbuch für die Zucht akzeptieren, sie sollten einen definitiven Schlussstrich unter ihre mögliche Abstammung ziehen. Und sie sollten ihre Nachzucht streng beobachten (Zucht mit geeigneten Stuten, Auswahl der besten Fohlen und Wiederholung dieses Vorgangs) um jedweden Zweifel auszuräumen.

 

Definition eines Berbers "O.I."

Für ein Berberpferd, das als „OI à titre initial“ in einem Ursprungsland eingetragen wurde, gilt:


OI : origines inconnues: unbekannte Ursprünge bzw. Abstammung
inscription à titre initial: Eintragung zur Einführung / zum Beginn eines Stammbaums – entspricht ungefähr der Eintragung in das Vorbuch


- Es handelt sich um einen Berber mit unbekannter oder unzulässiger Abstammung, dies bedingt durch die lokale Zuchtethik und die traditionelle Zucht der Rasse in den Ursprungsländern.
- Es muss in einem Ursprungsland geboren sein.
- Es ist von hierfür eigens eingesetzten Behörden seines Ursprungslandes als würdig erkannt worden, mit Stolz die Bezeichnung „Berber“ auf Grund seiner außergewöhnlichen Schönheit und seiner Ausprägung, die überaus deutlich die Charakteristika seiner Rasse zeigen, tragen zu dürfen.
- Es ist ein Pferd, das als Träger der Bezeichnung Berber von seinem Ursprungsland das Recht erhält, an allen Zucht- und Reitveranstaltungen teilzunehmen, und dies mit der gleichen Berechtigung wie ein Pferd derselben Rasse mit Stammbaum. Bei der Beurteilung werden dieselben Regeln unabhängig von Abstammung und --- Herkunft angewendet.
- Die Überwachung seiner Nachkommen muss strengsten Maßstäben unterliegen, denn natürlich kann es unmerklich Gene anderer Rassen in sich tragen.

Daneben hat zu gelten:

- Durch die unbestrittene Tatsache, dass die Gene des Berberpferdes dominant sind und durch seine Geburt in seinem Herkunftsland (genauer gesagt der Zuchtregionen, aus denen es stammt) - die Risiken einer bunten Rassenmischung recht gering: Ein Berberpferd im Vorbuch kann grundsätzlich ohne besonderes Risiko für die Zucht seiner Rasse verwendet werden.
- Einem Berber des Vorbuchs wie einem Berber mit Stammbaum, der legal zur Zucht zugelassen wurde, kann diese Erlaubnis nicht wieder entzogen werden. Die Vererbung lässt sich oft schwer einschätzen und voraussagen. In dem Fall, dass die Nachzucht einen bestimmten Anteil an wenig charakteristischen Nachkommen erkennen lässt, liegt es allein in der Entscheidung, der Verantwortung und in der Ethik des Züchters, dieses Tier nicht mehr weiter in der Zucht einzusetzen. Dies darf keine Benachteiligungen für die bislang geborenen Fohlen nach sich ziehen.
- Ein Pferde ohne Abstammung muss dem gleichen kritischen Blick ausgesetzt werden wie ein Pferd mit einer Abstammung., verdient aber auch die gleiche Wertschätzung und Achtung
- Seine Zugehörigkeit zu seinem Stutbuch wie auch die seiner legitimierten Nachzucht sind lebenslang gültig, und niemand hat die Berechtigung dies anzuzweifeln. Denn dies würde nicht weniger bedeuten, als auch an allen Pferden mit Abstammung zu zweifeln, die einmal aus diesen Pferden hervorgegangen sind, - und damit an der gesamten Rasse.

Wir lieben die Rasse des Berbers, so wie wir sie kennen. Sie blieb sich durch Jahrhunderte hindurch treu, mit oder ohne Papiere. Sie ist nun bei uns mit Papieren angekommen. Denn nur so können die Pferde als Vertreter ihrer Rasse Grenzen passieren. Die Art und Weise der Selektion des Maghreb darf nicht angezweifelt werden. Denn diese Rasse, die wir - so wie sie ist - in unser Herz geschlossen haben, ist die Frucht dieser Selektion.
Wenn der Maghreb auf die Europäer gewartet hätte mit ihren Gentests, mit ihren Protokollen und strengen Reglements, dann hätte diese wunderbaree Rasse genügend Zeit gehabt, gleich mehrmals auszusterben...

 

Zum Verständnis der Zucht des Berberpferdes bei uns

Der Berber ist ein Pferd, das die Freiheit repräsentiert. Seine erfolgreiche Zucht lässt sich besser mit dem Herzen als mit der Vernunft bewerkstelligen. Erst wenn man mit dem Herzen züchtet, erhält man einen guten Blick und ein Gespür für diese Rasse. Diese Fähigkeiten verhelfen zu einer authentischen Zucht. Erst danach sollte man auf die Papiere schauen, um sich an dem zurückgelegten Weg zu erfreuen. Es geht vorrangig darum, gute und schöne Pferde zu züchten, dem Züchter zu Gefallen und zum Gefallen anderer.

Daher der Appel: Hört auf, Euch um zweitrangige Dinge zu kümmern – Beurteilung oder auch Nicht-Beurteilung, von wem die Beurteilung stammt, wann oder wie sie zu Stande kam, ob das Wetter an jenem Tag schön oder kühl war, ob sie gerecht oder nicht gerecht in bestimmten Punkten ist und auf welchen Kriterien sie genau basiert, genau bis zu welchem Punkt...
So erhält man kein Gespür für die Rasse, noch ist es für sie besonders hilfreich.

Auch wenn sich einige Menschen an dieser Rasse nur aus finanziellen Interessen vergreifen - das gibt es überall. Der Züchter muss seine Augen schärfen, denn er muss unterscheiden können. Es ist Sache des Züchters, ob er sich für ein Pferd entscheidet oder es ablehnt, dies mit seinem Herzen, seinem Auge, seinem Geschmack, seinem Gewissen, seiner Ethik und seiner Verantwortung sich selbst und der Rasse gegenüber. Es ist Aufgabe des Züchters, Stellung zu nehmen und zu sagen: „Das will ich, das will ich nicht für meine Zucht!“
Die erste Selektion (Eintragung, Körung, Prämierung etc.) wird immer durch eine Zuchtkommission getroffen, die zweite Selektion findet natürlicher Weise durch die Züchter statt. Diese zweite Selektion war immer diejenige, die der Rasse am meisten Gewinn erbracht hat. In Nordafrika ist dies immer noch so. Ein Pferd kann mehrfach hoch prämiert sein - wenn es dem Gefühl des Züchters nicht entspricht, -- wird er es für seine Zucht ablehnen. Dies ist seine Pflicht und sein Recht, denn letztendlich ist er es, der die Verantwortung für die Rasse trägt.

Und daher muss der Züchter sich seiner Freiheit bewusst sein und sie nutzen!

 

Zur heutigen Zuchtsituation in den Ursprungsländern

Um die Zuchtsituation des Berbers im Ursprungsland zu verstehen, soll hier der damalige Generaldirektor der ONDEC, Dr. Benmerad zitiert werden, der sich im Vorwort des 1. Algerischen Herdenbuches des Berberpferdes so trefflich ausdrückt:

„Der Maghreb, insbesondere Algerien, ist ein Landstrich, der ein Pferd besonderen Schlags erzeugt hat, das man nirgendwo anders findet. In trockenem und heißem Klima aufgewachsen, auf einem Boden mit wenig, aber reichhaltiger und vielseitiger Nahrung, auf traditionelle Art für seine Verwendung und Aufgaben geprägt, in sich die Anlagen von Rasse, Form und Modell tragend: das ist das Berberpferd.
Es ist richtig, dass man in der heutigen Welt unmöglich eine Zucht ohne Stammbaum berücksichtigen kann. Das ist das vorrangige Ziel dieses Buches. Allerdings benötigen wir eine realistische, sinnvolle und dynamische Planung für ein Stutbuch, das zwar notwendig ist, aber nicht ausreichend sein kann.
Wir haben uns entschieden, stetig und ohne Eile eine Selektion und eine Eintragung außergewöhnlicher Tiere vorzunehmen, aus diesem dabei aus dem großen Vorrat traditioneller Zucht zu schöpfen, der es ermöglicht hat, sorgfältig die Stämme echter Berbers zu pflegen, um einen hervorragenden Kern herauszubilden, indem man die Züchter an dieser Selektion, die nicht ohne ihre volle Mitarbeit auskommt, beteiligt und sie dafür erwärmt. Die Gesamtheit unserer Berberzucht ist bei weitem noch nicht vollständig eingetragen. Die große Weite des Landes, die Lebensart unserer Züchter und eine ländliche und unstrukturierte Wirtschaft machen dieses Unterfangen riskant und erst auf längere Sicht einträglich.
Dieser Pragmatismus ist Bürge einer dauerhaften Bereicherung durch ständige regelmäßige Hinzuführungen, die über die Zeit verteilt aus dieser unvergleichbaren Quelle schöpft. Dieses an die Lebensweise unserer Züchter gut angepasste System, das die seit Jahrzehnten wenn nicht seit Jahrhunderten unter Beweis gestellt haben, hat die allgemeine Bestandsaufnahme und die Eintragung eines qualitätsvollen Bestands in seiner ganzen Vielfalt eindeutig im Blick, um so den Andforderungen der modernen Welt zu genügen.
Der erste Teil dieses Werks befasst sich mit Pferden mit Stammbaum, die über die erste Hälfte des Jahrhunderts bis heute selektiert wurden.
Der zweite Teil betrifft Tiere, die entsprechend der Gesetzgebung unseres Landes von der nationalen Stutbuchkommission in das Vorbuch eingetragen wurden.
Die Aufgabe ist außerordentlich groß, die Herausforderung fesselnd, und wir dürfen davon träumen, unserer Vorfahren würdig zu sein zum Nutzen für ein Kulturgut von unschätzbarem Reichtum:

"DAS BERBERPFERD

(toute mon amitié, Nadir, si tu viens à lire cela, tu vois j’ai toujours besoin de toi pour défendre le cheval barbe!)

 
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